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KAPUnk: EA80

konzert
Fr. 21.02.2020 - 21:00

Presale: https://kapu.kupfticket.at/events/kapunk-ea80/

Diese Band aus Mönchengladbach ist eine von denen, die mensch erfinden müsste, würde es sie nicht geben. 1983 erschien ihr Debüt-Album „Vorsicht Schreie“ (2004 noch einmal eingespielt), zuletzt 2017 „Definitiv: Ja!“, ihr 13. Albumeintrag in eine Diskographie, die dazu noch eine Menge Singles, Split-Singles, MCs oder Compilation-Beiträge aufzubieten weiß. Unlängst griff in Kreisen der zahlreichen Verehrer_innen von EA 80 eine aufgeregte Versorgungs-Dringlichkeit um sich, weil eine 7-fach (!) Single-Box fast so schnell wie vergriffen war, wie mensch mitbekam, dass diese existiert. Dabei sind EA 80 – Junge (Stimme, Gitarre), Hals Maul (Gitarre, Stimme), Nico (Trommeln) und Oddel (Bass) – gewiss an nichts weniger interessiert als an künstlicher Verknappung als Marketing-Strategie des (Musik-)Kapitalismus, ähnlich wie Crass, Fugazi, Shellac oder Valina sind sie im Gegenteil eine taugliche Antithese zu den vermeintlich so unumgänglichen Marketing-Blödheiten, die längst auch in Subkulturen wie von selbst ihren ungut künstlichen Geruch verbreiten. Ein Gutteil ihres eindrucksvollen Werks – einfach nach Möglichkeit alles hören/auschecken, vorne anzufangen genauso lohnend wie in der Mitte oder hinten! – erschien im Eigenverlag oder bei ausgewiesen lässigen Labels.

Der Autor dieser Zeilen erhielt vor Jahrzehnten ein Paket mit 10 Stück von „Vorsicht Schreie!“ (einer der Abnehmer meiner kurzfristigen Vertriebsambitionen – unser alles Freund Huckey, großer, treuer Begleiter des Werks dieser Band und ihres Umfelds mit Nebenbands und zahllosen Projekten), Absender: Junge, Beethovenstrasse 6, 4050 Mönchengladbach. Bis heute die Kontaktadresse der Band, es gibt kein „Management“, keine Booking-Agentur, einzig die Postleitzahl hat sich geändert. Musikalisch sind EA 80 das (Originalitäts- und Eigensinn-)Versprechen des Punk in über Jahrzehnte unverfälschter Reinkultur. Ähnlich wie es John Peel über The Fall gesagt hat – „always different, yet always the same“ – macht die Poesie, die Kraft, die Klugheit, die Wildheit, die Maßlosigkeit, die Zärtlichkeit, das im positiven Sinne „viele“ ihrer Musik, die Begriffe, die mensch tradiert benützen möchte um diese zu beschreiben, obsolet, sie würden leer, nichtssagend klingen mit dieser Musik, diesem Sound tatsächlich im Ohr.

Dazu sind die Spuren von EA 80 im Musik- und Kulturjournalismus überschaubar, diese Band spricht in erster Linie direkt, über Konzerte und ihre Platten, mit ihren Hörer_innen. Ein im Februar 2019 im EKH in Wien erlebtes Konzert (im Publikum unter anderem Horst von 7 Sioux/Schwester und Mops von Target Of Demand/Brambilla/Dim Prospects – die Gitarren von EA 80 haben auch den „Linzer Sound of HC“ beeinflusst …*) war schlicht umwerfend, von einer Dringlichkeit und Stimmigkeit, die den Gedanken, dass mensch das jetzt aus irgendeiner Nostalgie und wegen der Berührungspunkte mit der eigenen Biographie so gut findet, nicht einmal aufkommen ließ – eine beste Band der Welt im Hier und Jetzt bei der Arbeit, ein Abspielen von „alten Hits“ – davon haben sie eine Menge – findet nicht statt, im Zweifel ist immer das jüngste Lied das Beste. „Integrität“ ist ein großes Wort, aber im Zusammenhang mit dieser Band zwingend angebracht. Als Schwester einmal ein natürlich wegen EA 80 ausnehmend gut besuchtes Konzert somewhere in Germany mit ihnen spielten und es zum Aufteilen des ob des großen Publikums real existierenden Anteils am Eintrittsgeld vulgo „Gage“ kam, wurden zwei gleiche Stapel gemacht. Alles andere, von wegen Hauptband und Support, kam für Junge & Co nicht in Frage. Wie es sein soll.

Beim Schreiben dieser Zeilen laufen abwechselnd zwei ihrer Platten, und, ja, es mögen „alte“ sein („2 Takte später“, 1985 und „Mehr Schreie …“, 1987), aber es ist erstaunlich, was diese Musik immer noch und immer wieder kann. Schon greift ein nicht mehr ganz junger Mann zur Luftgitarre, ist Luftband, singt Texte mit, die wo abgespeichert sind, wo nicht so viel hinkommt in so einem Leben, kann von „Nimmer geh beiseit“ nicht berührt sein, der Gedanke, dass dessen – wie viele Minuten? – Ähnliches getan haben wie die besten Freund_innen und lange Jahre der Therapie, „manchmal finde ich noch zurück in meinen Traum …“. Was für eine Band!

Es wäre schön bis zum Konzert das Hemd meiner Träume (wieder) zu finden - ein rotes! – weil so eine 1er Panier bei EA 80 ist schon angebracht: „Die Hemdkrägen geschlossen / keine Angst vor Atemnot / und selbst, wenn der Kopf anschwillt / wir brüllen immerfort: Tot sind wir noch lange nicht / tot, tot / sind wir noch lange nicht.“

(*Funfact: Am 9.11. 1985 spielten die Nikoteens in der KAPU, eigentlich hätten dabei EA 80 spielen sollen, was ich übereuphorisiert schon kommuniziert hatte, obwohl die Band nicht 100%ig zugesagt hatte. Das Konzert – Discogs kennt sogar ein Livetape – kann mensch wenn mensch so will, als den/einen Beginn von Hardcorehausen Linz sehen.)

 

[words by Rainer Krispel]

 

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